Agreement - Texte von Katharina J. Ferner

 

Wurfpost. Eine verwickelte Sendung ist eingelangt.

Ordentlich geschnürte Glieder, gepflasterte Lippen.

Das Paket kippt.

 

Könnte sich nun auf den kühlen Boden betten.

Anlegen das Beingewicht.

Eine Rutschmatte.

Wölbung.

 

Der Innerschatten rührt sich.

Er möchte jetzt nach draußen.

Sollen wir ihm Auslauf gewähren?

Sind wir bereit?

 

Betrachtung.

Die Knoten treiben voran

Zer-

Zerr-

Zerrwerfung.

 

Ein Hoch auf die Fuß-

Und Handgelenke!

Hanggelenke.

 

Achtung: Ausbruch.

 

Reisen.

Ich reise beinahe unverhüllt. Die Schnürung gibt den Ton an. Gleite in Zwischenräumen. Begleite mich in ein Dazwischen. Temperaturloser Verlauf der Haltestationen. Die Fahrt verläuft ohne weitere Zwischenfälle. Ein Werbespot fällt mir ein. Bunte Farben und Melodien drängen sich auf. Und ich muss mich abwenden, um ihnen zu entgehen. Warte geduldig, bis sie vorübergeflirrt sind und ich mich wieder entspannen kann. Runder werden und den Kanten entgegenwirken. Auf meiner Reise begegne ich mir Haut an Haut. Manchmal fühlt sie sich wie die eines anderen Lebewesens an und ich verliere das Gefühl. Zuerst für den Körper. Dann erst für Zeit und Raum.

 

Träumen.

In meinen Träumen krieche ich aus mir heraus. Ich kann Strecken bewältigen, auf denen ich sonst nicht vorankomme. Der Fortschritt ist von außen schwer zu erkennen, aber ich spüre jeden Zentimeter, den mein Körper vorantreibt. Wider aller Beschwerlichkeiten werde ich zur Traumjägerin. Die Ausbeute ist nicht zu verachten. Ich verzehre sie umgehend und ohne Reue. Doch Träumen ist auch Erschöpfung. Manchmal muss ich sehr lange warten, bis ich den richtigen erwische, sich mir einer ergibt. Und die Sache für mich ein zufriedenstellendes Ende nimmt.

 

Spielen.

Immer auf Zeit. Kokette Beinchen anbieten. Ein Knäuel zwischen den Lippen. Verspielen ist einfach. Vorstellung kann ausspielen lassen. Ich gewinne immer. In meiner Vorstellung gewinne ich immer. Ist das ein Trick? Mir fallen Trickbilder aus der Kindheit ein. Ungleiche Körperteile, Grimassen und verdrehte Posen. Aufblühende Schattenmonster. In meiner Vorstellung bin ich ein Daumenkino. Blättere blitzschnell durch mich hindurch. Einmal schneidet sich einer den Finger auf, weil er zu hastig blättert, die Finger nie absetzt, nicht ableckt. Papierkanten haben ein Eigenleben. Es ist ein Trick.

 

Sehnen.

Nach mehr sehnen. Freidehnen. Ich fasse in die Öffnung der Zwischenhaut und etwas fällt schwer von mir ab. Zieht mich an Knien und Beinen. Ungeduldiges Scheuern und schleifen. Der Abrieb löst sich fasernweise auf. In meiner Herzenssprache werden Finger und Zehen mit ein und demselben Wort benannt. Verlangt es sie darum, ständig einander nachzufolgen, einander nah zu kommen. Der nächste Schritt kopfüber. Wer läuft voraus, gibt die Spur vor, berührt, setzt auf, durchbrechen wir die Zwischenhaut mit vereinten Kräften. Dringen durch die letzten Schichten, stoßen durch undichte Stellen. Nägel. Nägel. Haut. Haut. Haut.

 

Pendeln.

Die Herstellung eines gleichmäßigen Schwingmoments ist aussichtslos. Mein Pendel ist ein Unruhestifter. Es schwingt über die Grenzen hinaus und schleift mich hin- und her. Manchmal lehne ich mich auf. Ich weiß nie, wann fängt es an, wann hört es auf. Biete mich lose in den Seilen. An manchen Tagen verliere ich beinahe den Kopf oder zumindest einen Fuß. Ich präsentiere frisch geölte Handgelenke. In meiner Vorstellung schwinge ich über eine weite Fläche und setze mich irgendwann klammheimlich aus dem Bild hinaus. Ohne Gewicht findet schließlich auch das unruhigste Pendel seine Ruhe.

 

Inseln.

Die Insel ist ein Wolkenbild, in das man nicht weich fällt. Es sieht nach Gewitter aus und um nicht nass zu werden, ziehe ich die Füße an. Raureif sammelt sich in den Poren. Es ist der letzte kalte Tag dieser Saison und dennoch habe ich mich hinausgewagt. Im Blitzlicht wirkt der Himmel heller als üblich und meine Augen beginnen zu schmerzen. Ich halte sie trotzig offen, mich an der Leine. Beschließe eine Schönwetterperiode einzuleiten, da es schließlich meine Insel ist, an der ich sichtlich hänge und die ich nicht so einfach den Gezeiten überlassen kann.

Texte von Katharina J. Ferner

Das Projekt wurde gefördert durch ein Stipendium des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg.

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