Controlled

Die Serie Controlled entstand in Zusammenarbeit mit der Performerin @calamity_jane_kjf die Texte stammen aus der Feder der Schriftstellerin & Poetin Katharina J. Ferner.

Vorspann

In meinen Räumen bin ich meist nackt. Bewege mich frei ohne störende Kleidungsschichten, die robuste Textur meiner Haut schützt mich vor möglichen Kanten. Ich kenne die ungeraden Dielen und die bröckelig verputzten Stellen. Ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn ich mich mit dem Rücken gegen die kühlende Wand lehne, in welchen Bodenrillen sich die Schuhe stets verhaken, welche Lichter ich lieber anmache und welche auslasse. Ich verbringe nicht viel Zeit außerhalb meiner Räume, die ich mir je nach Belieben gestalten kann. Die mich manchmal gestalten, wie es ihnen beliebt.

(K.J.F.)

 

01: Ich verdrehe meinen Körper ein wenig zur Seite, spiele mit dem Gleichgewicht, nehme mir Zeit Positionen abzuwägen bis zum Absprung. Wiege mich in der Dunkelheit, die Schatten greifen warm nach mir, streifen mich an der Schulter. Während ich die Augen schließe, jeder Veränderung mit offenen Poren nachhorche. Ich verliere mich im Raum, irre durch das Zeitgefühl wieder und wieder. Es steigt mir Hitze in die Adern, bringt mir laue Röte ins Licht, durchdringt mich. Der Raum löst sich in unbestimmte Partikel auf, die sich sanft durch die Luft bewegen, schlage Wellen in die Dielen. Hier noch ein wenig Sand und dort mehr Schwung in den Fingern.

K.J.F.

 

02: Später bekomme ich feuchte Stellen unter den Augen und der Stuhl trägt mich nicht wie er sollte, gleitet unter mir hervor, begleitet meinen Abstieg, bis zum rutschigsten Abtritt. Und ich denke. Das sieht man doch, dass dieser Stuhl benutzt wurde. Da liegt kein Staub auf nur manchmal gibt es klebrige Stellen. Erinnerst du dich noch an die alten Schulbänke mit den Holzfächern, in die man keine Bücher schieben konnte ohne an vertrockneten Kaugummiresten kleben zu bleiben. Dieses Gefühl, wenn der Fingernagel in den grau gewordenen Gummi drückt, immer ein wenig überraschend und ärgerlich zugleich.

K.J.F.

 

03: In mir passiert etwas. Ich sage es ganz leise in die Musik hinein, die beständig aus der alten Stereoanlage knistert. Denke mir eine Clubnacht in rauchigem Nebel. Es passiert ein Kribbeln, schön in die Rippen hinein, mir fallen die Muskeln ins Gewicht, verrippen sich. Die CD hat zehn Songs, aber ich habe vergessen, bei welchem ich stehengeblieben war, denke an eine dieser rarer werdenden Bars mit Jukebox. Man weiß nie welches Lied einen als nächstes erwartet und welche Stimmung.

K.J.F.

 

04: Tempolimits. Verliere langsam die Kontrolle. Steckt zu viel Speichel in den Worten bevor ich sie formulieren kann. Und dann die Haut, die Feuchtigkeit hängt mir in den Kniekehlen, spiegle mich unsichtbar im grauen Grundwasser, folge den vorgezeichneten Kopflinien. Wie oft betrachten wir uns an normalen Tagen, wie oft wirklich genau, ich versuche die Frage an mich zu formulieren, sie kommt sehr zäh heraus. Ich kann mir nicht überallhin folgen. Wieso passiert das nie, dass mir schon vor dem Spiel die Ideen ausgehen, ein bisschen Obsession gehört wohl auch dazu. Ich besuche all die dunklen Orte. Mit Vergnügen lasse ich mich darauf ein, klicke mich durch die darkrooms.

K.J.F.

 

05: Die Musik hat aufgehört zu spielen und es wäre der passende Moment jetzt aufzustehen, aber ich finde keine Kraft dafür und die plötzliche Stille macht eine Leere in mir auf. Und ich denke. Morgen ist ein neuer Tag an dem irgendwo die Sonne aufgeht. Und egal wie künstlich sie mir scheint, sie berührt die freigelegten Körperstellen, lässt die Textur meiner Haut weitere Schichten aufnehmen, verhindert ewiges Glattziehen.

K.J.F.

 

06: Manchmal kann ich mich nicht ansehen, kann die Haut nicht sehen, die weichen Stellen, die Schnürung, die das Fleisch teilt. Wieviel Taubheit ist einem Körper zuträglich. Manchmal Verlangen, manchmal Verzweiflung, manchmal Sehnsucht und tiefe tiefe Erschöpfung. Ich warte auf die Komplett-Auflösung. Aber mein Körper tut mir auch nicht diesen Gefallen, kauert sich nur näher zusammen, hängt in Fetzen.

K.J.F.

 

07: Dann wieder habe ich das Gefühl es zerreißt mich, reißt mich aus mir heraus, lässt sich die Haut in groben Blättern ablösen, brechen sich erst die Muskeln frei, dann die Knorpelstücke. Die Augenschatten machen sich bemerkbar und ständig dieser harzige Geschmack auf den Lippen. Selbst das spärliche Licht wird mir untragbar. Die Ausleuchtung aller wunden Stellen. Im Kopf beginne ich eine Liste mit Fluchworten, die mir sofort wieder entfallen, sich nicht auseinanderfalten wollen, die Zunge faltet sich nicht auseinander.

K.J.F.

 

Abspann

Ich schaue über das Unbehagen hinaus. Verrutschte Züge-l. Wie umgestülpt, drückt sich der innere Schmerz nach draußen, materialisiert sich, wildert ungezähmt durch den Raum. Mir wird die Luft knapp. Klammheimlich schält sich das Gefühl aus mir hervor, als wolle es mich zurücklassen unter den Außenblicken, die noch an mir abprallen. Im Moment des Abflugs.

Texte von Katharina J. Ferner

 

Outtakes

 

Das Projekt wurde gefördert durch ein Stipendium des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg.